Vom 5. bis 8. September 2024 spieltE das Ensemble Paul Klee unter der Leitung von Kaspar Zehnder im Rahmen des Musikfestival Bern jeweils um 11.30 Uhr in der Heiliggeistkirche Bern zwei Stücke aus dem für ein Salonorchester komponierten Zyklus „Stücke der Windrose“ von Mauricio Kagel. Angela Kreis-Muzzulini war bei der Probe der Stücke „Westen“ und „Süden“ dabei.
„NACH DEM STÜCK schweift der Blick der Ensemble-Mitglieder nach Westen“, sinniert Kaspar Zehnder über die musikalischen Windrosen-Miniaturen des 1931 in Buenos Aires (Argentinien) geborenen und 2008 in Köln (Deutschland) verstorbenen Komponisten. Die Windrose ist eine Unterteilung der Himmelsrichtungen in acht Richtungen, die sich nach den Haupthimmelsrichtungen und den vier Winden beziehen (Quelle Wikipedia). Doch je nach Position eines Menschen bedeutet beispielsweise der Süden nicht das selbe. Für Kagel etwa, der geprägt von seiner Jugendzeit in Argentinien und seiner zweiten Heimat ab 1957 in Deutschland einen anderen Blick auf die Welt und die Musik hatte, waren «mit den verschiedenen Himmelsrichtungen bestimmte Erlebnisse, Sehnsüchte und schematische Vorstellungen verbunden, die genau entgegengesetzt zur entsprechenden Gefühlswelt der Europäer» seien. Der Süden etwa sei für ihn kein Ort der Hitze, sondern der Kälte: Patagonien. Diese Ansicht verarbeitete er in den acht „Stücken der Windrose“ auf eindrucksvolle Weise.
EISKALT UND ERBARMUNGSLOS fühlt sich Kagels „Süden“ denn auch an. Markante Paukenakzente leiten ein archaisches, klangvolles Erlebnis in einer von Kälte erstarrten Landschaft ein. Glocken aus der Ferne deuten auf Leben hin. Der Klarinette säuselnder Wind, das Pizzicato der Streicher und der sonore Bass im Hintergrund malen ein Bild geheimnisvoller, unendlicher Weite, der ich mich als Zuhörerin nicht entziehen kann.
“ Im Nordosten von Argentinien aus gesehen liegt Havanna“, wirft Kaspar Zehnder ein. Rhythmus, Orgelklänge, Klaviersequenzen und Windgeräsuche, getragen vom warmen Ton des Cellos, führen geradewegs in die lebensfrohe Region und Stadt Havanna, wo Wasser fliesst und sich ein Wirrwarr an klangfarbigen Elementen öffnet. Das von der Klarinette aufgegriffe tänzelnde Thema wird und immer wieder von Rhythmuseinfällen verdrängt. Das Klavier mischt sich zaghaft ein. Das Ensemble schaut wie erstarrt in Richtung Westen.
DIE „STÜCKE DER WINDROSE“ scheinen für das Ensemble Paul Klee geschrieben zu sein. Mit grosser Ausdruckskraft setzen die zehn herausragenden Musiker die anspruchsvoll zu spielenden Windrichtungen musikalisch in Szene um und zeichnen Bilder, die das Publikum atemlos mithören lassen.
Programm
Mauricio Kagel (1931–2008): «Die Stücke der Windrose» (1988–1994) für Salonorchester5.9.: Norden, Nordosten
6.9.: Osten, Südosten
7.9.: Süden, Südwesten
8.9.: Westen, Nordwesten
Besetzung
Ensemble Paul Klee:
Richard Haynes, Klarinette
Philippe Talec, Felicia Paşca, Violine
Shelley Soerensen, Viola
Matthias Schranz, Violoncello
Ivan Nestic, Kontrabass
Riccardo Fiscato, Jean-Jacques Schmid, Klavier / Harmonium
Mathis Pellaux, Schlagzeug
Kaspar Zehnder, Leitung
Bild und Text: Angela Kreis-Muzzulini